Löste ein fauler Trader den Flash Crash aus?
von Torsten Ewert
Verehrte Leserinnen und Leser,
Sie erinnern sich sicherlich: Am 6. Mai 2010 sorgte ein Minuten-Crash an der US-Börse für einen heftigen Schock. Innerhalb von Minuten sanken die Kurse der großen Indizes um fast 10 %. Der Dow-Jones-Index verzeichnete den größten Verlust (in Punkten) seiner Geschichte. Einzelne große Aktien verloren kurzzeitig über 99 % ihrer Marktkapitalisierung und wurden nur noch als Penny Stocks gehandelt.
Erstaunlicherweise war der Spuk nach wenigen Minuten wieder vorbei. Die Indizes schlossen unter massiv erhöhtem Volumen „nur“ ca. 3 % niedriger.
Faulheit in der Krise kostet Billionen Dollar
Eine gemeinsame Untersuchungskommission der US-Börsenaufsicht SEC und der Terminmarktaufsicht CFTC stellte Ende September nun ihren Abschlussbericht zu diesem Ereignis vor. Kurzes Fazit: Ein unvorsichtiger Händler einer großen Fondsgesellschaft hat dieses Ereignis ausgelöst.
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Fortsetzung
Waren Super-Trader die eigentlichen Auslöser des Flash Crashs?
Denn nach Angaben des Berichts spielten sich die entscheidenden Ereignisse nur innerhalb von drei bis vier Minuten ab. Und insbesondere, dass das Tief an diesem Tag genau mit der automatischen Handelsaussetzung zusammenfiel, ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass automatische High-Speed-Tradingsysteme, sogenannte High Frequency Trader (HFT), ganz entscheidend in diesem Crash involviert gewesen sein könnten.
Zwar erwähnt auch der Bericht die Beteiligung dieser Trader und Systeme, er hängt jedoch ihre Bedeutung auffallend tief. So werden an zwei Stellen Zahlen zum Handelsvolumen der HFTs ohne weitere Wertung genannt. Allerdings ergibt sich daraus, dass allein das HFT-Tradingvolumen in den drei Minuten kurz vor der Handelsaussetzung etwa das Zehnfache des üblichen Volumens betrug und für 33 % des gesamten Volumens in diesem Zeitraum verantwortlich war.
In den 15 Sekunden unmittelbar vor der Handelsaussetzung agierten die HFTs nahezu unter sich (49 % des Handelsvolumens) und produzierten dabei das 30fache des üblichen Volumens während eines normalen Tages!
Dass sich der Markt nach der Handelsaussetzung unmittelbar erholte, würde sich dann dadurch erklären, dass die HFT-Systeme nicht mehr im Markt waren – sie schalten nämlich in solchen Sondersituationen in der Regel ab, da ihre Algorithmen dabei „durcheinandergebracht“ werden...
Auffälliges Schweigen zum Einfluss der High Frequency Trader
Das Problem ist nun weniger der wahrscheinliche Einfluss der HFTs (dieser ist Experten durchaus bekannt), als vielmehr die auffallend geringe Aufmerksamkeit der Behörden dafür. In den Medien wird in diesem Zusammenhang auf die
intensive Lobbyarbeit der (finanzstarken) HFT-Firmen verwiesen sowie auf personelle Verquickungen zwischen ihnen und ehemaligen Angehörigen der Aufsichtsbehörden, die dort inzwischen als „Berater“ angeheuert wurden.
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Fortsetzung
Einzige konkrete Maßnahme bisher ist die Einführung strikter Regeln für die Auslösung einer automatischen Handelsaussetzung – ein Instrument, das beispielsweise im DAX seit Jahren gang und gäbe ist.
Es gibt auch andere Daten, Interpretationen und Schlussfolgerungen
So verwundert es auch nicht, dass andere Beobachter zu anderen Erkenntnissen kommen. So will der Datendienstleister Nanex zum Beispiel herausgefunden haben,
dass in den wenigen entscheidenden Minuten vor der Handelsaussetzung (der Zeitraum deckt sich mit den Angaben des offiziellen Berichts) eine auffallend hohe Anzahl von sogenannten Scheinorders platziert wurde.
Diese werden nur für Sekundenbruchteile eingestellt und danach sofort wieder gelöscht. Eine echte Kauf- oder Verkaufsabsicht steckt nicht dahinter . Solche Orders erfüllen nur taktische Funktionen der HFT-Algorithmen.
Allerdings kann ein solcherart extrem erhöhtes Orderaufkommen die (langsameren) Börsensysteme unter Druck bringen, z.B. durch verzögerte Weiterleitung der Börsendaten an die regulären Händler und Trader. Laut Nanex war ein solches Phänomen möglicherweise die eigentliche Ursache für den Flash Crash – auch wenn besagter fauler Händler vorher den Anlass dazu geliefert haben sollte. Denn wie gesagt: Bevor die Lawine schließlich losbrach, war dessen Order schon etliche Minuten im Markt...
Nanex schlägt vor, diesem Treiben mit einer ziemlich einfachen Maßnahme wirksam zu begegnen: Jede Order bleibt automatisch eine bestimmte Zeitlang gültig, z.B. 50 Millisekunden (= 0,05 Sekunden). Dies erlaubt es den meisten Trading-Systemen, auf diese Order zu reagieren und gegebenenfalls zu handeln. Ein HFT müsste demnach fürchten, dass seine Scheinorder doch zur Ausführung kommt – also unterlässt er sie.
Dass diese Maßnahme, die kaum Aufwand bei ihrer Umsetzung erfordert, nicht aufgegriffen, ja noch nicht einmal diskutiert wurde, lässt nun jede Menge Spielraum für Spekulationen. Schließlich sind auch die großen Market Maker an den Börsen, also die großen Banken, im HFT-Geschäft mächtig aktiv...
Privatanleger, aufgepasst!
Für Sie als Privatanleger ergeben sich natürlich ebenfalls Konsequenzen. Die klassische Absicherung mit Stop-Loss-Aufträgen geht unter solchen Umständen nämlich nach hinten los.
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Fortsetzung
Hinterfragen Sie daher auch hin und wieder jede Börsen-„Weisheit“, auch wenn sie wer weiß wie oft als „unumstößlich“ herumgereicht wurde.
Denken Sie daran: Märkte und Produkte ändern sich – nur die handelnden Menschen meist nicht. Tun Sie es daher vor den anderen. Viel Erfolg!
Mit besten Grüßen
Torsten Ewert
http://www.stockstreet.de/