Auch hierzu ein sehr guter Artikel von Herrn Rudolf Wittmer aus der Tradesignal-HP!
MH 10: Maximum Adverse Excursion (MAE)
RUDOLF WITTMER
Mechanische Handelssysteme, Teil 10
Bevor man mit dem Trading beginnt, sollte man für jeden Trade den Ausstiegspunkt für den Fall eines negativen Kursverlaufs festlegen. Dies ist einer der Eckpfeiler des Risikomanagements. Wer einen Trade eingeht, ohne diese Stopgröße im voraus zu kennen, begibt sich in den gefährlichen Kreislauf der Tradingpsyche, aus der die meisten nur noch mit erheblichen Verlusten herauskommen. Daher wird in diesem Beitrag über Handelssysteme eine Methode vorgestellt, mit der ein sinnvoller Wert für den Stop ermittelt werden kann.
Eines der wesentlichen Geheimnisse erfolgreicher Trader liegt im Risikomanagement. Nur wer die alte Börsenweisheit "Gewinne laufenlassen und Verluste begrenzen" effizient umsetzen kann, wird auf Dauer an den Märkten erfolgreich sein. Eine der psychisch schwierigsten Aufgaben ist es, Verluste zu realisieren. Denn wenn eine Position im Verlust ist, leben die meisten Trader vom Prinzip Hoffnung. Dies führt dann in aller Regel dazu, daß die Position immer weiter in den Verlust läuft, um schließlich auf dem ungünstigsten Kursniveau glattgestellt zu werden.
Daher sollte man vor der Eröffnung einer Position das Kursniveau festlegen, bei dem die im Verlust liegende Position geschlossen wird. Dieser Kurs sollte dann unmittelbar als Stop-Loss - Order in den Markt gelegt werden.
Die Frage lautet nun, nach welchen Kriterien dieser Stop-Loss-Kurs ermittelt werden kann. Hier haben diejenigen Trader einen Vorteil, die nach festen Handelsregeln traden, da diese Trader anhand historischer Daten testen können, welche Stopwerte in der Historie eine sinnvolle Kombination zwischen Verlustbegrenzung und Renditeoptimierung gewesen wären.
Hierzu hat der Amerikaner John Sweeney das Verfahren der Maximum Adverse Excursion (MAE) entwickelt. MAE bedeutet soviel wie maximal gegenläufige Bewegung. Wie die deutsche Übersetzung andeutet, bestimmt die MAE, wie weit eine Position in den Verlust laufen darf, bevor sie geschlossen werden muß.
Grundprinzip der MAE
So wie es bei den Tradern unterschiedliche Charaktere gibt, so haben auch Trades eine unterschiedliche Charakteristik. Bei den Verlierer-Trades kann man zwei Typen unterscheiden: Trades, die sofort ins Minus laufen und sich nicht mehr erholen und
Trades, die ins Plus laufen und erst mit einem gewissen „time lag“ abstürzen.Für die profitablen Trades kann statistisch nachgewiesen werden, daß diese bereits nach sehr kurzer Zeit im Gewinn sind. Hier besteht das Problem darin, den maximalen Profit aus dem Trade herauszuholen ohne am Ende von den aufgelaufenen Gewinnen wieder zu viel abzugeben.
Diese beiden Trade-Grundtypen sind in den Bilder 1 und 2 für Gewinner- und Verlierertrades grafisch dargestellt. Gewinnertrades laufen bereits nach kurzer Zeit in den Gewinn und bleiben dort. Demgegenüber laufen Verlierertrades bereits nach kurzer Zeit in den Verlust, ohne sich anschließend davon wieder zu erholen. Eine zweite Kategorie von Verlierertrades läuft zunächst in den Gewinn, um nach einiger Zeit steil in einen Verlust abzustürzen.
Bild 1: Charakteristischer Verlauf von Gewinnertrades
Bild 2: Charakteristischer Verlauf von Verlierertrades
Aus diesen grundsätzlichen Betrachtungen lassen sich bereits einige gute Stopkriterien ableiten. Offensichtlich ist es sinnvoll, einen Trade, der nach einer gewissen Zeit (gemessen an der Anzahl der Bars in der Chartdarstellung) nicht im Gewinn ist, wieder zu schließen und die Verluste zu realisieren. Des weiteren kann ein Trade, der nach dieser Zeit noch im Gewinn ist mit einem Breakeven-Stop abgesichert werden, so daß zumindest der Einstiegspreis bei ungünstigem Kursverhalten wieder realisiert werden kann.
Graphische Auswertung
Die Frage, wie weit ein Trade bei Anwendung eines bestimmten Handelsansatzes in den Verlust laufen darf, kann nur beantwortet werden, wenn für die einzelnen historischen Tradeverläufe ein Profit-Drawdown-Diagramm erstellt und ausgewertet wird.
Die grundsätzliche Vorgehensweise wird am Beispiel eines Trendfolgesystems auf den DM-Future demonstriert. Das System basiert auf dem Triple-Moving-Average-Crossover - Ansatz. Als Testzeitraum wurden die Jahre von 1990 bis 1999 gewählt, pro Trade wurden 100 US$ für Commission und Slippage angesetzt.
Sämtliche Trades innerhalb dieses Zeitraums werden in einem Scatterdiagramm (Bild 3) dargestellt. Auf der Abszisse ist der maximale Verlust des Trades dargestellt. Dieser Drawdown wird absolut in Dollar gemessen. Bei längerfristigen Betrachtungen mit größeren Wertänderungen im Underlying empfiehlt sich die Analyse auf prozentualer Basis. Die Ordinate zeigt das Ergebnis jedes einzelnen Trades, nachdem er geschlossen wurde. Dabei wurden die rot gekennzeichneten Trades mit einem Verlust geschlossen, die grün gekennzeichneten Trades mit einem Gewinn. Die Höhe dieses Gewinns bzw. Verlust ist in absoluten Dollarbeträgen dargestellt.
Bild 3: MAE für DM-Trendfolgesystem ohne Stop
In der rechten oberen Ecke in Bild 3 ist ein Trade erfaßt, der im Verlauf einen Drawdown von ca. 7.700 US$ hatte und schließlich mit einem Verlust von 7.000 US$ glattgestellt wurde.
Sehr deutlich ist in diesem Bild auch die massive Anordnung grüner Pfeile im linken Bereich des Bildes zu erkennen. Diese grünen Pfeile kennzeichnen die Gewinnertrades. Auf der Abszisse kann man ablesen, daß die Mehrzahl dieser Gewinnertrades maximal 1.000 US$ im Verlust waren, bevor sie mit Gewinn geschlossen wurden. . Die roten Pfeile - die Verlierertrades - laufen dagegen sehr weit in den Verlust, bevor sie - mit Verlust - geschlossen werden. Lediglich ein Trade, der zwischenzeitlich mit über 4.000 US$ im Verlust lag, konnte am Ende noch mit einem Gewinn von knapp 5.000 US$ geschlossen werden (grüner Pfeil in der Mitte des Bildes).
Ziel bei der Anwendung der MAE-Methode ist es, anhand der grafischen Darstellung dasjenige Stopniveau zu identifizieren, bei dem die Mehrzahl der Gewinnertrades links und die Mehrzahl der Verlierertrades rechts eines tolerierbaren Dradown-Niveaus liegen.
In Bild 3 sind hierzu drei mögliche Stoplimite durch senkrechte Linien gekennzeichnet. Je weiter links die Linie liegt, um so mehr werden auch positive Trades, die rechts von der Linie liegen, mit abgeschnitten. Die Ergebnisse der aus Bild 3 ermittelten drei Stopniveaus sind in Tabelle 1 gegenübergestellt.
In den dargestellten Ergebnissen werden nochmals die Aussagen über die allgemeinen Auswirkungen von Stops (siehe Optionsscheinmagazin Mai 1999) bestätigt. Je enger der Stop, um so mehr Trades und um so geringer die Trefferquote. Trotzdem weist das System mit der geringsten Stopweite die besten Systemkennzahlen auf. Daher ist die MAE-Grafik für das System mit einem Stop von 800 US$ in Bild 4 nochmals gesondert dargestellt.
Ein Vergleich der beiden MAE-Grafiken (Bild 3 und 4), zeigt sehr deutlich, daß bei dem System mit 800 US$ Stop, die Verluste der einzelnen Trades deutlich reduziert werden konnten. Die Verlierertrades werden aber nicht weniger, sondern konzentrieren sich mit Masse bei 900 US$ (= 800 US$ Stop plus 100 US$ Commission).
Bild 5: MAE für DM-Trendfolgesystem mit Stop
Aus den in Tabelle 1 gegenübergestellten Systemergebnissen kann man folgende Erkenntnisse für das System mit Stop gewinnen: Das Profit/Drawdown -Verhältnis verbessert sich etwa um den Faktor drei.
Die Anzahl der Trades erhöht sich.
Die AvgWin/AvgLoss - Ratio erhöht sich.
Die Gewinner Trades dauern nicht mehr so lange, die Verlierer Trades verkürzen sich allerdings um die Hälfte (psychologischer Aspekt !! ).
Der Profit-Faktor kann deutlich gesteigert werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Durch die statistische Auswertung der Einzeltrades eines Handelssystems konnte die unterschiedliche Charakteristik von Gewinner- und Verlierertrades aufgezeigt werden. Die daraus abgeleiteten Regeln für ein Initial-Risk-Stop-System verwirklichen die altbekannte Börsenweisheit: „Verluste so schnell wie möglich begrenzen, Gewinne so lang wie möglich laufen lassen.“
Die Ermittlung effizienter Stop-Regeln mit der vorgestellten Technik hat gegenüber der Stop-Optimierung mittels TradeStation Optimizer den entscheidenden Vorteil, daß man die Signifikanz der Stopgröße visuell nachvollziehen kann. Ein Optimierungsergebnis aufgrund einmaliger Sonderfaktoren wird somit ausgeschlossen.
Hinzu kommt ein weiterer - nicht zu unterschätzender - psychologischer Aspekt. Durch die Visualisierung der Trade-Charakteristiken lernt der Trader das Innenleben, die Dynamik, seines Systems kennen. Dadurch gewinnt er Vertrauen in sein System. Dies wird den psychischen Druck während des realen Handels deutlich reduzieren.
Die in diesem Beitrag vorgestellten Methoden lassen sich selbstverständlich noch erweitern. Beispielsweise kann man die MaxFE (Maximum favorable Excursion) und die MinFE (Minimum favorable Excursion) analysieren. Diese Methoden beziehen sich auf die profitablen Trades. Sie zeigen, wie weit die Trades mindestens bzw. maximal in den Gewinn laufen. Aus dieser Kenntnis kann - bei Vorliegen statistischer Signifikanz - ein Trailing-Stop abgeleitet werden.