Lieber Bernhard,
vielen Dank für Deine ausführlichen Tests zu den Candles und für Dein Posting hier im Forum.
Ich kenne die Candlestick-Umsetzung von Martin. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er seine umfangreichen Candlestick-Programmierungen gratis auf seiner Webseite für „jedermann zum Download“ zur Verfügung stellt. Er hat sich damit viel Arbeit gemacht und es gibt überhaupt nichts, was daran irgendwie zu kritisieren wäre.
Dennoch glaube ich, dass man die Umsetzung von Martin und meine Umsetzung im CS-Plugin nicht direkt miteinander vergleichen kann.
Eben genauso, wie die Metastock Candlestick-Pattern die ich selbst ja auf meinen Webseiten gratis zum Download anbiete eben auch nichts mit der Umsetzung im CS-Plugin zu tun haben. Das hatte ich ja weiter oben in diesem Thread auch schon geschrieben. Ich selbst habe – bevor ich mein PI entwickelt habe- ausführlich mit den Metastock-Pattern und auch mit den Pattern von Martin experimentiert.
Die Ergebnisse waren dabei vergleichbar mit den Ergebnissen, die Du auch beschreibst. Das war auch der Grund dafür, dass ich mein Plugin überhaupt programmiert habe.
Dass die Candles als Signalgeber gut funktionieren, wusste ich mit Sicherheit aufgrund meiner früheren diskreditionären Trading-Erfahrungen mit den Candles.
Ich wusste auch, dass die korrekte Programmierung einer CS-Erkennung aufgrund der Interpretationsspielräume bei dieser Analysetechnik schwierig ist. Teilweise wird von Fachleuten ja sogar die Ansicht vertreten, es wäre unmöglich Candlestick-Pattern überhaupt so zu programmieren, dass sie ausreichend genau von Software erkannt werden.
Diese Ansicht teile ich nicht.
Ich halte es aber für wichtig, dass eine softwarebasierte Erkennung von CS-Pattern dem Anwender Raum dafür gibt, die Pattern an seine subjektive Sichtweise und an das individuelle Kursverhalten des zu handelnden Underlyings in der zu handelnden Komprimierung zu adaptieren.
Was für den einen Trader eine sehr lange Kerze ist, kann für den anderen Trader „nur“ eine lange Kerze sein und beide haben Recht- da erzähl ich Dir nichts Neues.
Soweit ich es beurteilen kann, ist diese Möglichkeit weder bei meinen früheren gratis Metastock-Pattern noch bei den Pattern von Martin vorgesehen.
Gerade für die Entwicklung von CS-Handelssystemen die auch im Out of Sample weiter funktionieren, ist eine Justierung hier aber – nach meinen Erfahrungen – essentiell.
Ob man hierbei von einer Optimierung sprechen mag oder nicht, sei dem Betrachter überlassen. Wenn ich den Begriff „Optimierung“ großzügig auslege, optimiert jeder technisch orientierte Trader bereits in dem Moment, wo er –mit oder ohne zusätzliche Software- aus dem Kursverhalten der Vergangenheit Prognosen für die zukünftige Kursentwicklung ableitet. Wenn jemand Indikatoreinstellungen für sein Trading verwendet, die früher gut funktioniert haben, ist das ebenfalls eine Art der Optimierung.
Selbst wenn ein technisch orientierter Trader seine Einstiege nur „mit den Augen“ timt, bleibt sicherlich ein gewisses Restrisiko für eine „Überoptimierung“.
Von einer Optimierung sprechen muss man aber ganz sicher z.B. bei Deinem Punkt 2:
Investox darf sich die besten Muster aussuchen.
Hier wäre zunächst einmal interessant, wie Du bei der Investox-Optimierung genau vorgegangen bist. Die CS-Pattern selbst enthalten ja – bis auf ganz wenige Ausnahmen- keine Optimierungsvariablen. Darauf – und nur darauf- bezogen sich meine Aussage, in Bezug auf die geringeren Risiken einer Überoptimierung.
Anders sieht es sicherlich aus, wenn man – z.B. via NN oder GA- „die besten“ Pattern auswählen läßt. Hier nimmt die Software klar eine Optimierung vor und es besteht dann natürlich-wie üblich- auch das Risiko einer Überoptimierung.
Interessant wäre außerdem, nach welchen Kriterien Du „die besten“ Muster ausgewählt hast.
Ich selbst setze die Investox-Optimierung bei Pattern-Systemen nur ein, um die variablen Einstellungen der Indikatoren -die zusätzlich immer Bestandteil aller CS- Systeme sein müssen – sparsam zu optimieren. Welche Pattern in den Systemen eingesetzt werden, ermittele ich immer visuell. Ich schaue mir dazu zunächst an, welche CS-Formationen an welchen markanten Umkehrpunkten im Chart zu früheren Zeitpunkten vermehrt auftraten.
Weiß ich das, justiere ich die CS-Erkennung so, dass möglichst viele dieser Pattern erkannt werden.
Aus meiner Sicht ist diese Vorgehensweise sinnvoll. Wenn Du Dir historische Kurse verschiedener Wertpapiere anschaust wirst Du immer sehen, dass –abhängig vom gewählten Wertpapier und von der gewählten Komprimierung- bestimmte Pattern häufig oder weniger häufig auftreten. Auch die Prognosefähigkeit der Pattern unterscheidet sich in Abhängigkeit vom gewählten Wertpapier und der gewählten Komprimierung.
Beim Wertpapier X kann ein Bullish Engulfing Pattern hervorragende Enter-Signale in der Komprimierung X liefern. Beim Wertpapier Y oder bereits in der Komprimierung Y sind die Signale aus dem Bullish-Engulfing möglicherweise untauglich- dafür funktioniert vielleicht das Piercing Pattern super…..
Weil diese Zusammenhänge bestehen, sind –aus meiner Sicht- auch Tests nach dem Motto:
„Ich teste jetzt mal die Prognosefähigkeit des Patterns „Hammer“ auf 100 unterschiedliche Wertpapiere“
für die Katz.
Davon mal abgesehen, dass oft der für die Gültigkeits-Definition des Patterns erforderliche Basis-Trend unbeachtet bleibt, dass nicht berücksichtigt wird, ob und wie ein bestimmtes Pattern bestätigt werden muss, dass die Definition des Patterns selbst sich –von einem Tester zum anderen- stark unterscheiden kann (bei dem einen ist ein Hammer nur ein Hammer, wenn der untere Schatten mindestens 3-Mal so lang ist wie der Body, bei dem anderen muss er ungefähr 3-Mal so lang sein usw. usf.) und dass oft nicht berücksichtigt wird ob und wie ein Pattern bestätigt werden muss (….um nur mal einige Fehlerquellen zu genannt zu haben…..) lässt sich bei diesen „Massentests“ das Kriterium
Kontext nur unzureichend erfassen.
Der Zusammenhang in dem ein Pattern auftritt ist aber – da stimmen alle Candle-Gurus überein- essentiell. Den Kontext kannst Du für ein bestimmtes Wertpapier und eine bestimmte Komprimierung bestimmen.
Dazu kannst Du z.B. checken, dass der „Hammer“ bei diesem Wertpapier oft an oder in der Nähe von wichtigen Wendepunkten auftrat. Hier werden sich – aufgrund des oben schon erwähnten individuellen Kursverhaltens der Wertpapiere (Ausgeprägtheit der Pattern, Häufigkeit etc.)- bereits große Unterschiede ergeben.
Würde man den Kontext mit Hilfe eines Indikators mit variablen Periodeneinstellungen (nehmen wir ruhig mal den einfachen GD) bestimmen wollen, resultiert daraus weiteres Potential für Ungenauigkeiten. Du wirst mir sicher zustimmen, wenn ich die Aussage treffe, dass z.B. ein 20-Perioden GD für das Wertpapier X ideal sein kann, weil z.B. in einem zu betrachtenden Aufwärtstrend viele Tiefs auf oder in der Nähe des 20-er GDs liegen und dieser GD sich damit eng an den tatsächlichen Kursverlauf anschmiegt und als Unterstützung fungiert. Beim Wertpapier Y kann es so sein, dass der 20-er GD völlig irrelevant ist – der 25-er aber genau passen würde….
Nimmst Du den 20-er dann als Trendbestimmer für beide Wertpapiere um zu gucken, wie gut der Hammer ist, wäre das –um es mal krass provozierend (bitte nicht auf Dich beziehen
) zu sagen- aus meiner Sicht ein Folgefehler.
Zum Abschluss noch ein Wort zu den unterschiedlichen Komprimierungen und zu der Annahme, dass ein Pattern-System instabil ist, wenn es nicht benachbarten Komprimierungen vergleichbare Ergebnisse liefert. Was für ein indikatorbasiertes HS durchaus gelten mag, ist meiner Überzeugung nach mitnichten für ein Pattern-basiertes System der Fall. Gehen wir doch nur mal zurück zu dem Beipiel Bullish Engulfing – Piercin Pattern von oben.
Lass ein Bullish-Engulfing Pattern (Body der weißen aktuellen Kerze umschließt Body der schwarzen Vorkerze komplett) z.B. im 5 Minuten Intraday Chart auftreten und ein gutes Signal geben. Im 4-Minuten Intraday Chart ist es vielleicht noch kein Bullish Engulfing, sondern „nur“ ein Piercing Pattern über 50 %. Im 6 Minuten Chart ist es vielleicht ebenfalls kein Bullish Engulfing mehr, sondern wieder nur ein Piercing Pattern über 50 %.
Folglich wird Dir im 4-Min Chart und im 6 Min. Chart kein Signal aus dem Bullish Engulfing ausgegeben. Der einfache Vergleich des Patterns Bullish-Engulfing auf verschiedene Komprimierungen lässt Dich zu dem Schluss kommen, dass System wäre instabil. Piercing Pattern über 50 % sind aber ebenfalls starke bullische Umkehrsignale. Wenn man die Stabilität von CS-Pattern Systemen betrachten will, muss man auf diese Tatsache abstellen und muss hier ggf. Erweiterungen der Definitionen vornehmen. Ob das im Einzelfall erforderlich ist, kann man wieder prüfen, indem man sich zunächst im 4-Min. und 6 Min. Chart anschaut, ob auch hier das zu untersuchende Pattern an den Wendepunkten vermehrt auftritt. Es aber nicht zu beachten, führt imho zu ungenauen Ergebnissen.
Bleibt noch zu sagen, dass die Candlesticks immer nur ein Bestandteil eines robusten und im Out of Sample Zeitraum profitablen HS sein können.
Die Candles müssen immer mit zusätzlichen Analysemethoden kombiniert werden und ein System ist immer erst dann ein System, wenn es eine passende MM/RM Strategie (einschließlich Stops) integraler Systembestandteil sind.
Die Candlestick-Technik zeigt aber Veränderungen im Marktverhalten früher an, als das viele andere Analysetechniken tun. Aufgrund dieser Tatsache eignet sich die Analysemethode gut als Bestandteil für das Timing Entries und Exits.
Diesen Zusammenhang kann man meiner Meinung nach ebenfalls an den Charts die Frieder hier schon so toll gepostet hat nachvollziehen……
Ich hoffe ich habe mit meinen Ausführungen niemanden gelangweilt?
Ist doch mehr geworden, als ich eigentlich schreiben wollte……
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Wiwu« (8. Februar 2005, 14:30)