Hallo Andreas,
Du stellst schon mal die richtigen Fragen und hast die richtigen Zweifel. Und die Zweifel sind voll auf berechtigt. Die Börse ist ein Nullsummenspiel, d.h. was man selbst gewinnt verliert ein anderer, dies ist insbesondere im Futurehandel so. Weiterhin geistert immer die Zahl durch die "Medien", dass 90 % der kurzfristigen Trader längerfristig Geld an der Börse verlieren und nicht gewinnen. Mittlerer weile glaube ich auch an diese Prozentzahlen. Die Frage ist, ob dies nicht auch so in jedem anderen "Geschäft" ist, denn als nichts anderes darf man sein Engagement an der Börse sehen, als Geschäft (bzw. neudeutsch Business). Wie viele der Wirtschaften machen nach mehr oder minder kurzer Zeit wieder zu??? 1928 gab es in den USA noch 800 Autohersteller, heute sind es wie viele??? Also wahrscheinlich gilt diese Prozentzahl für jedes Geschäft. Kann man jetzt daraus schließen, dass man mit dem Autobau oder einer Wirtschaft kein Geld verdienen kann, sicher nicht.
Nur man sollte sich fragen, wie hoch sind die Eintrittsbarrieren, bin ich selbst gut genug darauf vorbereitet, wie arbeiten die anderen und was kann ich, bzw. habe ich, was andere nicht können, damit ich mein Geld verdienen kann. Welche Erwartungen habe ich an die Gewinne, sind diese realistisch und kann ich davon leben (so man es denn will).
Du hast schon die Banken angesprochen, von denen Du nicht glaubst, dass diese mechanisch handeln??? Wie kommst Du zu so einer Aussage. Gebe einmal das Wort Arbitrage bei Google ein und Du wirst über 150 Stellenanzeigen von Banken und Hedgefonds für sogenannte „Quants“ finden. Diese sollen nichts anderes machen als quantitative, mechanische Handelsmethoden zu entwickeln. Ein Grossteil der Börsenumsätze wird durch solche vollautomatischen Handelsmodelle gemacht (Schätzungen gehen von 30 % aus).
Weiterhin gibt es die amerikanischen CTAs, die zum großen Teil ihr Geld mit vollmechanischen Methoden anlegen (ein Beispiel dafür ist der österreichische Quadriga Fond). Diese Handeln meist trendfolgend und halten ihre Positionen über Tage und Wochen, aber eben mechanisch.
Was heißt das für Dich:
Erwarte keine schnellen Erfolge bei Dir. Man braucht meist Jahre harter Arbeit, um sinnvoll mechanische Handelssysteme entwickeln zu können. Nicht unbedingt, weil es schrecklich kompliziert ist, fertige und funktionierende Handelssysteme gibt es genug im Netz. Aber man muss lernen, auf was es wirklich ankommt und wo die Probleme liegen. Und diesen Lernprozess muss man scheinbar immer selbst durchmachen, auch die Fehler muss man selber machen, anderen Leuten glaubt man es nicht. Diesen Eindruck hatte ich jedenfalls bei meiner Entwicklung wie auch bei anderen Leuten, denen ich bei ihrer Entwicklung „zur Seite“ stand, frei nach Schiller (oder war es Goethe): „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“
Ich weiß, wie viel Erfahrung Du schon an der Börse hast. Solltest Du noch nicht so viel Erfahrung haben, so hast Du Dir als Handelsinstrument gleich eines der schwierigsten ausgesucht. Den DAX Future Intraday zu handeln. Warum schwierig. Je kurzfristiger der Handel ist, desto mehr tritt die Rolle des Handelssystem in den Hintergrund, desto wichtiger sind tiefe Kenntnisse der Orderausführung und des Orderssystems. Weiterhin steigt der Anteil an Slippage und Gebühren an, oft macht dieser 80 – 90 % des Returns dann aus. Handelt man längerfristig spielen diese keine so große bzw. gar keine Rolle mehr (bei meinen letzten 50 Trades, die jeweils zur Eröffnung (vollautomatisch per Computer) an der Nasdaq getätigt wurden, hatte ich Summa Summarum keinerlei Slippage bzw. eine leicht positive). D.h. hier kann ich wirklich mit den Gebühren, dem Open Preis und noch einer kleinen Sicherheitsslippage rechnen. Intraday geht das bei den meisten Orderarten nicht. Ein System hatte ich z.B. für den E-Mini Future programmiert, sehr kurzfristig (1 min in der Position), mit Tickdaten getestet, es hatte eine Trefferquote von 96 %. Ich hatte erstmal sehr lange den Fehler gesucht, Spread und alles war realistisch berücksichtigt, auch die Slippage bei den Stops. Der „Fehler“ des Systems war mein Unwissen über die Orderausführung. Ich bin fälschlicherweise davon ausgegangen, dass ich eine Ausführung bekomme, wenn der Kurs auf meinem Limit gehandelt wird (also bei einer Kursfeststellung auf meiner Limitorder auch eine Ausführung für mich gibt). Dem war nicht so, sondern im Schnitt erst nach der 30ten Kursfeststellung auf meinem Limit. Bis 20 Ticks hätte das System funktioniert, so aber nicht mehr. So etwas lernt man aber nur durch reales Handeln und durch Erfahrung.
Ich will Dir jetzt nicht den Mut nehmen, aber man sollte schon mit realistischen Erwartungen an die Sache herangehen und keine schnellen Ergebnisse erwarten. Hinterfrage alles, was Dir gesagt wird, vor allem die klassischen Börsenweisheiten. Achte vor allem auf ein sehr gutes Riskmanagment. Ziel muss zu aller erst die Kapitalerhaltung und nicht die Vermehrung sein. Du musst für Dich selbst die Zeit finanziell überleben, bis Du ein für Dich praktikables System gefunden hast. Handele in der Zeit der Suche auch real, damit Du die Fallstricke der Börse lernst, aber mit sehr wenig Kapital (dies ist dann das Lehrgeld).
Grüsse
Bernhard