Hallo zusammen!
Folgendes - da offensichtlich nicht bekannt - bitte im Zusammenhang dieser Diskussion um etwaige Engagements in Aktien der Finanzbranche beherzigen:
In den USA gibt es seit September dieses Jahres neue Bilanzierungsreglements, welche das Fundament jeder Bilanz (=Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden eines Unternehmens) zu einer - um es salopp zu formulieren - "Luftnummer" verkommen lässt und jeglicher seriösen Unternehmensbewertung bzw. -beurteilung das Antlitz des (hämisch lachenden) McDonald's-Clowns vorsetzt. So mussten bis dato von einem Unternehmen gehaltene Wertpapiere von diesem zum jeweils aktuellen und damit realen Wert in der Bilanz (auf der Vermögensseite) verbucht werden, was nur logisch ist und bilanzierungstechnisch auch gefordert war. Abweichungen davon galten bis zur oben genannten Reformierung der Bilanzierungsreglements als Bilanzfälschung und sind sicherlich jedem noch in Form des einen oder anderen Bilanzfälschungs-Skandals in Erinnerung geblieben. Derlei Praktiken wurden strafrechtlich verfolgt und durch das Aufgreifen der internationalen Medien in der und auch durch die Öffentlichkeit als Betrug scharf verurteilt. So, und jetzt bitte festhalten: Die vor rund zwei Monaten erlassenen Bilanzierungsreglements in den USA ermöglichen es beispielsweise der Hochfinanz, den Wert gehaltener Wertpapiere mit dem nach eigenem Gutdünken "festgestellten" Wert auf der Vermögensseite einzubuchen! Nehmen wir ein konkretes exemplarisches Beispiel um nachzuvollziehen, was da eigentlich passiert: Das Unternehmen XY hält z.B. 500.000 Aktien von General Motors, welche XY am 1. Jänner dieses Jahres zum Preis von 25 USD je Aktie gekauft hat. Das Investment betrug demnach 12,5 Mio. USD. Aktuell steht General Motors bei einem Kurs von 9 USD (das war am 4. Oktober; an diesem Tag habe ich dieses Beispiel verfasst und es muss aus exemplarischen Gründen nicht auf den aktuellen Kurs von 3 USD abgeändert werden). Das Vermögen unseres Unternehmens XY ist demnach um 64% auf 4,5 Mio. USD geschrumpft. Real ist es das, dank neuer Bilanzierungsreglements jedoch nicht. Denn entsprechend letztgenannter darf das Unternehmen XY den Aktienbestand von General Motors weiterhin mit 12,5 Mio. USD in die Bilanz buchen und - von staatlicher Seite gedeckt! - der Öffentlichkeit ein mit der Wirklichkeit in völligem Widerspruch stehendes Bild vermitteln. US-Präsident George W. Bush und Finanzminister Henry Paulson haben immer wieder versichert "Wir werden alles tun...". Mit den beschriebenen Bilanzierungsreglements ist dies traurige Wirklichkeit geworden!
Um der etwaig aufkeimenden Frage "Und was hat das alles mit deutschen Banken zu tun?" vorzugreifen: Auch deutsche Banken dürfen mittlerweile auf ähnliche Weise bilanzieren!... In den öffentlichen Medien wurde dies allerdings (noch) nicht aufgegriffen, weswegen (wie die hiesige Diskussion offenbar macht) dies die wenigsten wissen dürften.
Als weiteren Gedankenanstoß sollen noch zwei Fakten hinzugefügt sein:
1. Der durchschnittliche Verschuldungsgrad amerikanischer Geschäftsbanken liegt etwa bei einem Verhältnis von 1 zu 15! Können aufgrund weiterhin sehr großen Misstrauens zwischen den Banken selbst (auch der europäische Bankensektor hat nach wie vor Rekordsummen an Liquidität lieber bei der EZB geparkt als diese im Interbankenhandel "arbeiten" zu lassen!) Ausleihungen nicht in gewohnter Routine verlängert werden, so bedürfen die Folgen des genannten wohl keines weiterführenden Kommentars. Dass (international agierende!) deutsche Banken sich von derartigen Verschuldungsquoten hätten abkoppeln können halte ich hier ebenso für ein (nicht untermauerbares) Gerücht wie vor rund einem Jahr jenes, das prophezeite, dass die Emerging Markets zum Einen sich von der globalen Wirtschaftsentwicklung abkoppeln und zum Anderen Schwächen der Industriestaaten quasi "ausbügeln" könnten.
2. Die Bailout-Summen der sogenannten Subprime-Konstrukte betragen etwa "nur" 70% jener Summen, welche vorwiegend in Privatkrediten und Ausleihungen über den Kreditkartenmarkt stecken. American Express hat in den letzten Tagen (durch die Umwandlung in eine Geschäftsbank, wodurch "Anspruch" auf das "Rettungspaket" besteht) bereits den künftigen Weg auch dieses Branchenzweiges gewiesen...
Fazit: KGV's und ähnliche Vergleiche die in der Vergangenheit gefruchtet haben (Haben sie das wirklich?... oder hat uns da nicht schon 1998 James P. O'Shaughnessy mit seinem Buch "Die besten Anlagestrategien aller Zeiten" recht gut fundiertes und somit eindeutiges Material geliefert?) sind aufgrund drastisch geänderter Rahmenbedingungen zumindest mit höchster Vorsicht zu genießen wenn nicht gar - wie ich meine - für einen nachhaltigen Anlageerfolg ad acta zu legen, wenn er denn in ansprechender Weise überdurchschnittlich sein soll! Ein Beta-Vergleich geht meines Erachtens (
) auch am Kern der Sache vorbei, was natürlich impliziert, dass ich derzeit auch auf Sicht von 2 bis 3 Jahren keine Banktiteln kaufen würde. Das allerdings ist meine persönliche Sicht, wie auch mein Beitrag nur einer unter vielen anderen sein kann...
Wünsche allen noch ein schönes Wochenende, Hannes